"Am Anfang war die Tat" - Eine Hypothese zur
Evolution der Kognition
Holk Cruse
Universität Bielefeld
Fakultät für Biologie
Abstract
Eine Möglichkeit, den Begriff Kognition zu definieren, besteht darin, zwischen 
reaktiven und kognitiven Sy-stemen zu unterscheiden. Bei einem reaktiven System, 
sei dies das Nervensystem eines Tieres oder das elektronische Kontrollsystems eines 
Roboters, werden die motorischen Ausgänge, also 
das Verhalten, ausschließlich von 
den aktuellen sensorischen Eingängen kontrolliert. Bei komplexeren Versionen kann 
das Verhalten auch von gewissen inneren Zuständen abhängen, die aber ihrerseits 
wiederum von sensorischer Information bestimmt werden. Dies kann weiterhin zu 
Systemen führen, die Gedächtnis und die Fähigkeit zum Lernen besitzen. Im Unterschied 
zu diesen, in einem weiteren Sinne reaktiven Systemen haben die hier als kognitiv 
bezeichneten Systeme die Fähigkeit, ihr Verhalten vorauszuplanen. Dazu müssen sie 
mit einem inneren Weltmodell ausgestattet sein, das ihnen "Probehandeln" ermöglicht. 
Es wird ein Weg dargestellt, der zeigt, wie der Übergang von reaktiven zu kognitiven 
Systemen stattgefunden haben könnte. Nach dieser Überlegung muss das 
Zentralnervensystem für das Entstehen kognitiver Eigenschaften nicht etwa um 
zusätzliche Module erweitert werden. Es reicht vielmehr aus, dass, ausgehend von 
reaktiven Systemen, die eine komplexe Motorik kontrollieren können, bestimmte schon 
vorhandene Module abgeschaltet werden können.
Neben dieser funktionalen Betrachtungsweise wird der Begriff der Kognition häufig 
auch so verwandt, dass er subjektive Aspekte einschließt. Auf der Basis verschiedener 
Befunde wird die These verfolgt, dass das erwähnte Weltmodell zugleich die Basis 
der menschlichen Fähigkeiten darstellt, subjektive Empfindungen erleben zu können. 
Das subjektive Erleben reflektiert also nicht direkt die von den sensorischen 
Eingängen gelieferte Information, sondern basiert auf einem Konstrukt. Der Inhalt 
des subjektiven Erlebens ist aber nicht Element der Kausalkette, die zum Handeln 
führt.