Magnetenzephalographische Untersuchungen zur zentral-auditiven Verarbeitung von Sprachlauten

Hermann Ackermann, Klaus Mathiak, Ingo Hertrich, Werner Lutzenberger

Universität Tübingen
Neurologische Universitätsklinik

Abstract
Das Syndrom der reinen Worttaubheit ist gekennzeichnet durch eine Beeinträchtigung des auditiven Sprachverständnisses bei diskrepant besser erhaltener Spontan- und Schriftsprache (1). Gelegentlich entwickelt sich diese klinische Konstellation aus einer initialen Rindentaubheit. In der Regel ist die reine Worttaubheit vergesellschaftet mit einer Beeinträchtigung der Rekognition non-verbaler Stimuli wie Geräuschquellen oder Melodien (auditive Agnosie). Abgesehen von wenigen Ausnahmen lag in den veröffentlichten Fällen eine bilaterale temporale Läsion vor. Aus diesen Gründen muß angenommen werden, daß grundsätzlich beide Hirnhälften sprachliche Laute zu enkodieren vermögen. Experimentelle Untersuchungen beim Menschen, die sich u.a. auf die Methode des Dichotischen Hörens stützten, weisen allerdings auf eine bessere "Verarbeitung" bestimmter Lautkategorien wie z.B. der Verschlußkonsonanten im Bereich der sprachdominanten Hemisphäre hin, möglicherweise bedingt durch eine raschere/zuverlässigere Detektion von Formanttransienten. Um diese Hypothese zur funktionell-neuroanatomischen Asymmetrie der Sprachlautenkodierung zu überprüfen, wurde begonnen, die Verarbeitung der "information bearing elements" des akustischen Sprachsignals wie z.B. "voice onset time", Richtung und Dauer silbeninitialer Formanttransienten, Periodizität mit Hilfe der Ganz-Kopf Magnetenzephalographie ("mismatch fields") zu untersuchen (2-5). Die bislang vorliegenden Ergebnisse zur Verarbeitung von binaural und/oder dichotisch applizierten Konsonant-Vokal (CV) Silben deuten darauf hin, daß die angesprochenen Lateralitätseffekte an zwei Bedingungen geknüpft sind: (a) funktionelle Segregation der afferenten Information im Bereich des auditiven Kortex, (b) perzeptuelle Diskrimination der Laute (im Gegensatz zu präattentiver Stimulusverarbeitung). Neben CV Einheiten wurden als Stimuli auch isolierte Formanttransienten simultan mit den komplementären Silbenbasen dargeboten ("duplex perception") (6). Es zeigte sich, daß die Fusion von Transienten und Basen zu vollständigen, perzeptuell disambiguierten CV Silben an linkshemisphärische Strukturen gebunden ist.

  1. Ackermann H, Mathiak K. Fortschr Neurol Psychiat 67 (1999) 241-253.
  2. Ackermann H, Lutzenberger W, Hertrich I. Cogn Brain Res 7 (1999) 511-518.
  3. Mathiak K, Hertrich I, Lutzenberger W, Ackermann H. Cogn Brain Res 8 (1999) 251-257.
  4. Mathiak K, Hertrich I, Lutzenberger W, Ackermann H. Cogn Brain Res 10 (2000) 125-131.
  5. Hertrich I, Mathiak K, Lutzenberger W, Ackermann H. NeuroReport 11 (2000) 4017-4020.
  6. Mathiak K, Hertrich I, Lutzenberger W, Ackermann H. NeuroReport 12 (2001) im Druck.


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