Kulturen des Performativen

Jens Roselt

SFB 447: Kulturen des Performativen
FU Berlin

Abstract
Das Interesse kulturwissenschaftlicher Untersuchungen und ihrer Methoden richtet sich häufig auf kulturelle Ausdrucksformen, die relativ stabil bleiben wie Texte, Monumente oder Bilder. Eine Vielzahl kultureller und auch künstlerischer Ausdrucksformen lassen sich jedoch nicht auf ein Artefakt reduzieren, welches den Moment seiner Entstehung überdauert. Um solche Prozesse erfaßbar zu machen, ist es hilfreich, mit den Begriffen Performance, Performativität und Performanz zu operieren. Im Sonderforschungsbereich Kulturen des Performativen' gehen zur Zeit 14 Projekte der Frage nach, in welcher Weise performative Elemente Denk- und Wahrnehmungsvorgänge beeinflussen bzw. konstituieren.

Ein besonderes Anliegen ist es dabei, die verschiedenen Variationen des Begriffs in den einzelnen Disziplinen zu systematisieren und die historischen Kontexte performativer Umbrüche zu untersuchen.

Seit ihren Anfängen in den zwanziger Jahren zeigt sich die Theaterwissenschaft aufgrund der spezifischen Verfaßtheit ihres Gegenstandes, der Aufführung, besonders interessiert an der Performativität des Ereignisses. Durch die Innovationen der Performancekunst der letzten dreißig Jahre wurde diese Tendenz noch forciert. Die semiotisch orientierte Aufführungsanalyse faßt die Theateraufführung als einen theatralen Text auf, dessen Zeichen zu lesen sind. Der Aufführungstext ist nicht identisch mit dem dramatischen Text. Es entstehen nun eine Reihe heuristischer Probleme, die bemerkenswerterweise genau dort ihre Ursache haben, wo die besonderen Qualitäten des Theaters relevant werden. Dies ist an einzelnen Beispielen zu erläutern. Jede Aufführung (nicht Inszenierung) ist einzigartig und prinzipiell nicht exakt reproduzierbar. Gleichzeitig ist sie vergänglich, da sie überhaupt nur im Moment ihrer Herstellung existiert und kein materielles Substrat hinterläßt. Dieser transitorische Charakter bedeutet, daß der analysierende Betrachter den Gegenstand seines Interesses nur im Moment des eigenen Erlebens vor Augen hat. Für die Analyse ergeben sich daraus Konsequenzen, die am Beispiel der Arbeit des Schauspielers dargelegt werden können. Das Verhältnis von Rolle und Person, Körper und Figur oder Präsenz und Repräsentation erweist sich als Schnittstelle von Performativität und Semiotizität des theatralen Ereignisses.

Eine zukünftige Ästhetik des Performativen wird das Wechselverhältnis von Erlebnis und Analyse, Erfahrung und Verständnis, Wahrnehmung und Interpretation als wesentliches Merkmal ästhetischer Auseinandersetzung zu begreifen haben.


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