ExpertInneninterviews und Schlüsselbildanalysen: Widersprüche und Ergänzungen

Peter Ludes

SFB 240: Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien in der Bundesrepublik Deutschland
Universität Siegen

Abstract
Die geistes- und sozialwissenschaftliche Untersuchung zeitgenössischer Entwicklungen muß Erkenntnisse erarbeiten, die über das mehr oder weniger explizite Wissen der wichtigsten Akteure hinausführen. Bei angestrebter gesellschaftlicher Relevanz der Forschungsergebnisse ist dies z.B. dadurch möglich, daß die wichtigsten Akteure selbst intensiv befragt werden. Diese Methode setzten deshalb mehrere der 34 Teilprojekte des Sonderforschungsbereichs Bildschirmmedien der Universität-GH Siegen ein: Befragt wurden Archivare, FernsehprogrammacherInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen, MedienkritikerInnen, ExpertInnen aus Multimedia-Organisationen, nationalen und internationalen Organisationen. Als Meta-Analyse wurden schließlich auch im letzten Bewilligungszeitraum die ProjektleiterInnen oder wiss. MitarbeiterInnen aller Teilprojekte des SFB nach den wichtigsten Ergebnissen befragt. Diese Methode führte meist zu Erkenntnissen, die über schriftlich vorliegende Dokumente oder Veröffentlichungen hinaus führen. Allerdings wurde jeweils der eigene Schwerpunkt der Erfahrungen überpointiert, informelle Regelungen wurden stärker beachtet und einige (durch Dokumentananalysen überprüfbare) historische Daten, Entscheidungssituationen oder Vereinbarungen wurden fehlerhaft erinnert. Der Schwerpunkt der Programmgeschichte des SFB Bildschirmmedien erforderte deshalb audiovisuelle Inhaltsanalysen. Die durch umfangreiche Archivrecherchen erfaßten Aufzeichnungen von systematisch ausgewählten Fernsehprogrammen und der Dowload von Angeboten aus dem WWW wurden einerseits in allen Teilprojekten systematisch gesichtet, in zwei Teilprojekten aber durch intersubjektiv überprüfbare Codierungen nach verschiedenen Kategorien quantitativ und qualitativ ausgewertet. Schlüsselstandbilder und ca. 6 bis 14 Sekunden dauernde Schlüsselbildsequenzen (bezogen auf die gesamte audiovisuelle Präsentation vergleichbar Schlagzeilen in Druckmedien) können so für Wissenschaft, Politiker und einfache Leute, Wirtschaft, Militär und Medien (für Pressefotos, Spielfilme, Fernsehnachrichtensendungen und Informationsangebote im World Wide Web) auf einer CD-ROM mit ca. 86 Minuten Videodokumentationen präsentiert werden. Damit wird gerade das erfaßt und interpretiert, was in Gesprächen und der Analyse schriftlicher Texte meist verloren geht: die (Audio-) Visualisierung von medienspezifischen Teilöffentlichkeiten und ihr Anteil an kollektiven Gedächtnissen und Vernachlässigungen.


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