Die geistes- und sozialwissenschaftliche Untersuchung zeitgenössischer
Entwicklungen muß Erkenntnisse erarbeiten, die über das mehr oder weniger
explizite Wissen der wichtigsten Akteure hinausführen. Bei angestrebter
gesellschaftlicher Relevanz der Forschungsergebnisse ist dies z.B. dadurch
möglich, daß die wichtigsten Akteure selbst intensiv befragt werden. Diese Methode
setzten deshalb mehrere der 34 Teilprojekte des
Sonderforschungsbereichs Bildschirmmedien der Universität-GH Siegen ein: Befragt
wurden Archivare, FernsehprogrammacherInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen,
MedienkritikerInnen, ExpertInnen aus Multimedia-Organisationen, nationalen und
internationalen Organisationen. Als Meta-Analyse wurden schließlich auch im letzten
Bewilligungszeitraum die
ProjektleiterInnen oder wiss. MitarbeiterInnen aller Teilprojekte des SFB nach
den wichtigsten Ergebnissen befragt. Diese Methode führte meist zu
Erkenntnissen, die über schriftlich vorliegende Dokumente oder
Veröffentlichungen hinaus führen. Allerdings wurde jeweils der eigene Schwerpunkt
der Erfahrungen überpointiert, informelle Regelungen
wurden stärker beachtet und einige (durch Dokumentananalysen überprüfbare)
historische Daten, Entscheidungssituationen oder Vereinbarungen wurden
fehlerhaft erinnert. Der Schwerpunkt der Programmgeschichte des SFB
Bildschirmmedien erforderte deshalb audiovisuelle Inhaltsanalysen. Die durch
umfangreiche Archivrecherchen erfaßten Aufzeichnungen
von systematisch ausgewählten Fernsehprogrammen und der Dowload von Angeboten
aus dem WWW wurden einerseits in allen Teilprojekten systematisch gesichtet, in
zwei Teilprojekten aber durch intersubjektiv überprüfbare Codierungen nach
verschiedenen Kategorien quantitativ und qualitativ ausgewertet. Schlüsselstandbilder
und ca. 6 bis 14
Sekunden dauernde Schlüsselbildsequenzen (bezogen auf die gesamte
audiovisuelle Präsentation vergleichbar Schlagzeilen in Druckmedien) können
so für Wissenschaft, Politiker und einfache Leute, Wirtschaft, Militär und
Medien (für Pressefotos, Spielfilme, Fernsehnachrichtensendungen und
Informationsangebote im World Wide Web) auf einer CD-ROM mit ca.
86 Minuten Videodokumentationen präsentiert werden. Damit wird gerade das erfaßt
und interpretiert, was in Gesprächen und der Analyse schriftlicher Texte meist
verloren geht: die (Audio-) Visualisierung von medienspezifischen
Teilöffentlichkeiten und ihr Anteil an kollektiven Gedächtnissen und
Vernachlässigungen.