Kriegserfahrungen - Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit

Horst Carl

SFB 437: Kriegserfahrungen, Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit
Universität Tübingen

Abstract
Einheitlichkeit des SFB "Kriegserfahrungen" wird gewährleistet

  1. thematisch durch Bezug zu "Krieg" (zeitliche Schwerpunktsetzung auf Epochen verdichteter Kriege vom Dreißigjährigen Krieg bis zum 2. Weltkrieg)
  2. gemeinsame theoretische (kulturwissenschaftliche) Grundlage: konstruktivistischer, wissenssoziologisch fundierter Erfahrungsbegriff

In Abgrenzung vom umgangssprachlichen Erfahrungsbegriff, der mit Unmittelbarkeit, Rezeptivität, Authentizität konnotiert ist, wird ein Erfahrungsbegriff zugrunde gelegt, der Erfahrung als gesellschaftliches Konstrukt faßt und die Formen gesellschaftlicher Konstruktion von Wirklichkeit (am Bsp. Krieg) analysiert - Individuen deuten Wirklichkeit immer schon in gesellschaftlich vermitteltem Deutungshorizont, der wiederum Wandel offensteht, weil Individuen miteinander kommunizieren und in diesen Kommunikationsprozessen Deutungen/Sinnstiftungen verändert werden.

(Skizze "Erfahrungsmodell", vgl. Beilage)
Erfahrung als permanenter Verarbeitungsprozeß, in dem Wahrnehmung, Deutung und Handeln miteinander verknüpft werden - intersubjektive Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Strukturen und subjektiven Erfahrungsprozessen - als Kommunikationsmodell von "Erfahrung" bezieht das Modell die Medialität von Erfahrung mit ein (Sprache, Symbol, Institution ...) - die Zeitachse verweist auf Prozeßhaftigkeit, erlaubt Kontextualisierung und Historisierung von Erfahrungsprozessen (z.B. Umgang von Nachkriegsgesellschaften mit Kriegserfahrungen, "kollektives Gedächtnis").

Methodische Konsequenzen:

  1. Vermittlung kulturgeschichtlicher Perspektive mit Struktur- und Sozialgeschichte (damit auch sozialwissenschaftlichen Methoden)
  2. Fokussierung auf unterschiedliche Aspekte des Erfahrungsmodells erlaubt Methodenpluralismus bei gemeinsamer theoretischer Grundlage:

Pragmatik (Auswahl):

  1. Transformation individueller Kriegserfahrungen zu kollektiven Einstellungen (Internalisierung - Externalisierung) (Projekt "jesuitische Feldgeistliche 1870/71")
  2. "Kollektives Gedächtnis" unterschiedlicher sozialer Gruppen/Ethnien (Bsp.: unterschiedliche "mental maps" der Orte des Kriegserinnerns in Lemberg)
  3. Diskursanalyse von Deutungsmustern und ihrem Wandel (z.B. religiöse Deutungsmuster, Bsp. "Antichrist")
  4. Symboltheoretische Ansätze - (Bsp.: kriegsversehrte Körper als Symbolisierung von Kriegserfahrungen des 1. Weltkriegs)

Perspektive für methodische Weiterentwicklung des SFB:
Bei Fokussierung auf "Medialität" von Erfahrung stärkere Einbeziehung literatur- und medienwissenschaftlicher Ansätze (z.B. Kognitionspsychologie)


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