Landschaftswandel, indigenes Wissen und lokale Tradition: Intermethodische Probleme der Rekonstruktion von Landschaft und Geschichte im ariden Afrika

Michael Bollig, Thorsten Becker und Anja Schulte

SFB 389: Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika
Universität Köln

Abstract
Der Sonderforschungsbereich 389 Landschafts- und Kulturwandel im Ariden Afrika widmet sich den Interdependenzen von Landschafts-, Vegetations- und Kulturwandel. Während die beteiligten naturwissenschaftlichen Disziplinen deutlich die physischen Veränderungen der Umwelt in den Vordergrund stellen, beschäftigen sich die Kulturwissenschaftler (Ethnologie, Afrikanistik) mit der Perzeption der Umwelt und historischen Traditionen des Umweltwandels. Grundlage einer gemeinsamen Forschungsfrage natur- und geisteswissenschaftlicher Disziplinen ist die Vorstellung, daß Landschaftswandel nur sinnvoll bearbeitet werden kann, wenn Landschaften als materielle Manifestierung von Mensch-Umwelt-Interaktionen gesehen werden. Landschaften müssen als Kulturlandschaften untersucht werden, die durch Menschen geformt und imaginiert werden. Die in der rezenten Literatur zu Kulturlandschaften immer wieder betonte Beobachtung, daß kulturelle Konstrukte von Landschaften und deren anthropogen verursachten Veränderungen unmittelbar zusammenhängen, ist Grundannahme unseres gemeinsamen Forschungsprogrammes (Crumley 1994, Luig & von Oppen 1997, Schama 1995).

Am Beispiel von zwei durch Hirtennomaden genutzte Savannen-Landschaften (Nordwestnamibia, Nordkenia) sollen die intermethodischen Ansätze des Projektes dargestellt werden. Orale Traditionen der Bevölkerung liefern umfassendes Material zu Vegetationsveränderungen in den letzten Dekaden. Mit Methoden der kognitiven Ethnologie werden umfassend lokale Wissenssysteme aufgenommen. Botanik und Geographie erheben Daten zur Vegetationsökologie und Degradationsprozessen. Transektverfahren und Dauerbeobachtungsflächen dienen der Beschreibung der rezenten Situation. Mittels älterer Luftbildaufnahmen werden Informationen zur Vegetation histroische kontextualisiert. Die durch verschiedene Methoden gewonnen Daten werden dann kritisch aufeinander bezogen. Es zeigt sich, daß die lokalen Hirtennomaden Experten für weidewirtschaftlich relevante Aspekte der Vegetation und des Vegetationswandels sind, aber nicht generell als Experten für die Ökologie der Region angesprochen werden können. Ihr Wissen ist einerseits empirisch-konkret auf spezifische Futterpflanzen und bestimmte Orte bezogen, andererseits immer dann deutlich ideologisch überformt, wenn es darum geht, verallgemeinernd Ursachen und Ablauf von Landschaftswandel zu beschreiben. Lokale Traditionen zu Umweltveränderungen und indigene Darstellungen gesellschaftlichen Wandels werden unmittelbar aufeinander bezogen.

Literatur


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