Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360

Dynamische Konzeptualisierung partieller und vollständiger Aggregate mit einem Multiagenten-Ansatz

Martin Hoffhenke und Ipke Wachsmuth

Einleitung

Allgemeine Aufgabenstellung

Die Hauptaufgabe des Teilprojektes C1 "Cody" bei der Entwicklung eines Künstlichen Kommunikators im SFB 360 ist die Entwicklung von Ansätzen der dynamischen Konzeptualisierung, welche durch fortlaufende Aktualisierung der Wissensrepräsentation dem System ein optimales Verständnis der aktuellen Situation ermöglicht. In dem Referenzszenario des SFB geht es speziell um aggregatbildende Konstruktionsaufgaben (Montagen). Deshalb sind insbesondere Inferenzmöglichkeiten für die Aggregatkonzeptualisierung erforderlich; sie sollen nicht nur die Erkennung gebildeter Aggregate, sondern darüberhinaus deren Interpretation als funktionale Komponeten eines Zielaggregats der Montage bewerkstelligen.

Bisheriger Stand der Arbeiten

Als zentrale Leistung des Cody-Projekts wurde im zurückliegenden ersten Projektabschnitt der Wissensrepräsentationsformalismus COAR ("Concepts for Object, Assemblies and Roles") entwickelt. Dieser unterstützt insbesondere die Modellierung der funktionalen Ausdifferenzierung multifunktionaler Komponenten entsprechend ihrer Verwendung in den bestehenden Baugruppen. Objekttypen und Rollentypen werden in getrennten Konzepthierarchien erfaßt. Die möglichen Rollentypklassifikationen von Instanzen eines Objekttyps werden über eine besondere Rollenrelation modelliert.

Auf Basis von COAR kann eine dynamische Konzeptualisierung der von einem situierten Künstlichen Kommunikator bearbeiteten Aufgabenumgebung durch mehrere Ontologien spezifizert werden (Gedächtniskonzepte) sowie durch Inferenzmechanismen, die dem Agenten eine fortlaufend aktualisierte Interpretation der Objekte in seiner Umgebung ermöglichen. Aktualkonzepte sind persistente Repräsentationen, mit denen der Agent ein dynamisches internes Modell seiner Umgebung aufbauen kann; sie tragen wechselnde Bedingungen der Klassifikation und Merksmalszuschreibung Rechnung und können mittels der Kopplung an eine geometrische Szenenbeschreibung auch die aus der Szene erschließbaren geometrischen und spatialen Informationen auswerten.

Auf dem gegenwärtigen Stand haben Objektbenennungen durch den Instrukteur, die einen Teil des sprachlichen Kontextes darstellen, keinen Einfluß auf die Konzeptualisierung der Bauteile oder der Aggregate durch dein Künstlichen Kommunikator. Desweiteren ist es nicht möglich, daß fast vollständig konstruierte Baugruppen ("90%-Flugzeug") als solche nicht erkannt werden, wodurch für entsprechende Benennungen des Instrukteurs keine Referenten im Arbeitsgedächtnis gefunden werden können.

Ein alternativer Ansatz

In dem vorliegenden Report wird ein alternativer Ansatz der Aggregatkonzeptualisierung in Montageaufgaben entwickelt. Ein wichtiges Ziel ist die frühzeitige Erkennung von Baugruppen und der Rollen, die Bauteile in ihrem Kontext übernehmen. Dies stellt bestimmte Anforderungen an die Wissensrepräsentation un die darauf arbeitenden Inferenzmechanismen. Ausgegangen wird jedoch von dem bestehenden COAR-Formalismus, der in bestimmten Punkten den Erfordernissen der veränderten Aufgabenstellung angepasst wird.

Ein wesentlicher Punkt ist die Einführung einer Salienz für die Rollenbewertung von Bauteilen und Baugruppen. Bisher erhielten Bauteile ihre Rolle erst durch die Zugehörigkeit zu einer spezifischen Baugruppe, sozusagen als ein Seiteneffekt der Aggregatklassifikation. Daher bedeutet die Zuschreibung einer Rollenbewertung bereits vor der Instantiierung einer Baugruppe, daß den Bauteilen bei der Konzeptualisierung ein stärkeres Augenmerk geschenkt werden muß. Dies hat entscheidenden Einfluß auf die benötigten Inferenzmechansimen. Ging der bisherige Ansatz von einer globalen Sicht des Szenarios aus (top-down), so gewinnt nun das Individuum an Bedeutung (bottom-up). Dies legt eine Lösung als Multiagenten-System nahe, welche außerdem den Vortei einer möglichen Parallelisierbarkeit bietet.

Der Entwurf eines solchen Multiagenten-Systems zur verteilten Interpretation wird im Folgenden beschrieben.


Postscript-File (~708 k)
Anke Weinberger, 1997-02-03, 1997-02-17