Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360

Architekturkonzeption eines teilautonomen Montageroboters

Steffen Förster, Henning Lobin und Kornelia Peters

Einleitung

Ziel der Montagerobotik ist die Erstellung von Robotersteuerungen, die es einem Manipulator ermöglichen, zwischen Objekten bestimmte räumliche Relationen herzustellen. Daraus folgt unmittelbar, daß das Objekt und entsprechende Interaktionen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Bei bisherigen Anwendungen war dies jedoch nicht der Fall. Es ging hauptsächlich um möglichst präzise Bewegungen des Roboters. Vielfach wurde dabei auf die Verwendung von Sensoren verzichtet, so daß nur monotone, immer gleichbleibende Aktionen durchgeführt werden konnten (z.B. Lackier- oder Schweißroboter). Durch den Verzicht auf Sensoren ist eine Robotersteuerung nicht in der Lage, seine Umwelt wahrzunehmen und auf unvorhergesehene Zustände der Welt adäquat zu reagieren. Dem System ist also jede Möglichkeit genommen, auch nur kleine Störungen autonom zu behandeln. Die Steuerung ist vollständig auf die Vorgaben und Ziele einer anderen Einheit (Planer, Benutzer) angewiesen.

Um komplexere Montageaufgaben durchführen zu können, ist es notwendig, Sensoren zu verwenden. Diese Sensoren geben dem Steuerungssystem Informationen über den Zustand der Umgebung, beispielsweise der Lage von Objekten, und ermöglichen so erst die Reaktivität einer Robotersteuerung und damit Autonomie hinsichtlich der Behandlung von Störungen. Eine solche reaktive Steuerung sollte auf Schwankungen bei einzelnen Sensoren großzügig reagieren und den Objekten durch Interaktion mit ihnen ihre Unschärfe nehmen.

Bei der Entwicklung von innovativen Robotersystemen für Montageaufgaben ist es von entscheidender Bedeutung, Autonomie mit externer Steuerbarkeit zu verbinden. Die Einschränkung der Autonomie zu Zwecken der Steuerung muß zu einer Form von Autonomie führen, bei der im Rahmen vorgegebener Ziele Eigenständigkeit gewahrt bleibt, das System aber außerhalb dieser Zielsetzung auf externe Steuerung angewiesen ist. Wir wollen ein solches System ein teilautonomes System nennen. Die Notwendigkeit der Verbindung von Steuerbarkeit und Autonomie besteht immer dann, wenn komplexe Tätigkeiten als Dienstleistungen ausgeführt werden sollen, wie es bei Servicerobotern der Fall ist. Abzugrenzen davon sind solche autonomen Systeme, die ausschließlich aus dem mit der Artificial-Life-Forschung verbundenen Erkenntnisinteresse heraus motiviert sind.

Autonomie ist in den letzten Jahren sehr erfolgreich durch reaktive Systeme realisiert worden. Reaktive Roboter bestehen in ihrem Steuerungssystem aus einem Bündel von Reaktionen, die für jeweils bestimmte Situationen eine wahrscheinlich sinnvolle Aktion spezifizieren. Bei geschickter Gestaltung und Kombination von Reaktionen kann dabei komplexeres und sogar scheinbar zielgerichtetes Verhalten emergieren. Ein anderer, symbolisch-intentionaler Zugang zur Autonomie geht von höheren kognitiven Fähigkeiten aus, etwa der symbolischen Modellierung von Situationen oder der Planung von Aktionsfolgen. Derartige Systeme werden mittlerweile oftmals unter dem Begriff deliberative Systeme zusammengefaßt. Da sowohl reaktive als auch deliberative Ansätze Stärken und Schwächen aufweisen, sind verschiedentlich hybride Systeme vorgeschlagen worden, die die Robustheit reaktiver Systeme mit den höheren kognitiven Leistungen deliberativer Systeme, etwa der Planungs- oder Kommunikationsfähigkeit, verbinden.

Da teilautonome Systeme nur in Verbindung mit externer Steuerung gedacht werden kßnnen, kommt der Kommunikation zwischen System und Steuerndem besondere Bedeutung zu. Bei der Untersuchung von sprachlicher Steuerung kann festgestellt werden, daß sich ein großer Teil der Anweisungen indirekt auf die kognitiven Fähigkeiten des zu steuernden Systems bezieht, ein Teil jedoch auch unmittelbar, quasireaktiv in die Handlungsausführung einzugreifen vermag. Dies legt es nahe, teilautonome Systeme mit hybriden Architekturen zu konzipieren, in denen einerseits die reaktive Ebene durch deliberative, sprachnahe Verarbeitungsverfahren beeinflußt werden kann, die reaktive Ebene aber auch unmittelbar anzusprechen ist. Die Entwicklung eines sprachlich steuerbaren Roboters kann deshalb nur in enger Verbindung mit der Entwicklung entsprechender hybrider Architekturkonzeptionen erfolgen. Im Projekt Kommunizierende Agenten entwickeln wir aus diesem Grund das hybride Agentensystem CoRA (Communicating Reactive Agent), bestehend aus einem deliberativen System und einem reaktiven Behaviorsystem.


Postscript-File (~328 k)
Anke Weinberger, 1995-10-26