Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360

Dynamische Konzeptualisierung

Bernhard Jung und Ipke Wachsmuth

Einleitung und Übersicht

Im Basis-Szenario des SFB 360 werden aufgabenorientierte Diskurse betrachtet, in denen ein Kommunikationspartner die Rolle eines Instrukteurs einnimmt und ein anderer die Rolle eines Konstrukteurs. Als Beispielaufgabe dient die kooperative Montage eines einfachen Flugzeugmodells aus Teilen eines Holzbaukastens. Langfristig soll die Rolle des Konstrukteurs von einem künstlichen Kommunikator (im Fernziel ein Montageroboter) übernommen werden. Damit der künstliche Kommunikator die jeweils beabsichtigten Konstruktionsschritte vollziehen kann, muß er zur Verarbeitung der erhaltenen Instruktionen neben sensomotorischen und kommunikativen Fähigkeiten über geeignetes Wissen und Inferenzmöglichkeiten verfügen.

Im SFB-Teilprojekt C1 - im Projektbereich "Wissen und Inferenz" - wird das dynamischen Wissen betrachtet, das in einem prototypischen künstlichen Kommunikator aufgebaut wird, um dem jeweils erreichten Montagestand Rechnung zu tragen. Insbesondere geht es um die maschinelle Modellierung kognitiver Konzepte in einer dynamischen Wissensbasis und darauf bezogene Prozesse der "Konzeptdynamik", in welcher sich die dynamische Konzeptualisierung von Konstruktionsobjekten in der fortschreitenden Situation manifestiert (Im weiteren wird das Projekt mit dem Kürzel CODY für "Concept Dynamics" bezeichnet). Für diese laufend aktualisierten situierten Repräsentationen der Konstruktionsobjekte wurde die Bezeichnung "Aktualkonzepte" gewählt. In Aktualkonzepten soll das interne "Bild", das sich der künstliche Kommunikator von der aktuellen externen Situation macht, mitgeführt werden. Es ist beispielsweise möglich, daß ein zunächst als "Schraube" eingeführtes Objekt in einem Aggregat die Rolle einer "Achse" einnimmt; dieser Rollenwandel muß in einer dynamischen Konzeptualisierung des Objektes Ausdruck finden.

Der wesentliche Zweck der Aktualkonzepte und Kernziel des CODY-Projekts ist die Bereitstellung eines Kommunikationshilfsmittels, welches das Konstruktionssystem "verständig" macht gegenüber Eingaben des menschlichen Instrukteurs, die sich teils auf die Perzeption der aktuellen Szene, teils auf das wissensgesteuerte Verständnis der Bauteilgruppen in der entstehenden Konstruktion beziehen können. Aktualkonzepte müssen folglich Informationen akkumulieren, die nicht nur dem Erscheinungsbild der involvierten Objekte, sondern auch Aspekten der Funktion von Objekten in entstandenen Aggregaten Rechnung tragen. Einserseits ist zu erwarten, daß in dem Maße, wie im Verlauf einer Montage die Funktionsaspekte deutlich werden, entsprechende funktionsbezogene Benennungen in den Anweisungen des Instrukteurs auftauchen werden. Andererseits muß es zu jedem Zeitpunkt möglich sein, daß sich der Instrukteur nach wie vor auf Erscheinungsbildattribute der beteiligten Bauteile beziehen kann, um eine Konstruktionshandlung zu kommunizieren.

In diesem Report wird die Aufgabenstellung des CODY-Projekts und der verfolgte Lösungsansatz vorgestellt. In Teil 1 wird das SFB-Basis-Szenario des aufgabenorientierten Diskurses anhand des Kommunikationsmodells der KI-Forschung sowie die Problematik dynamischer Konzeptualisierungs im Kontext der aktuellen Forschung erläutert. In Teil 2 wird die grundsätzliche Herangehensweise und in Teil 3 das entstehende CODY-System beschrieben.


Postscript-File (~ 991 k)
Anke Weinberger, 1995-01-12, 1995-09-25