Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 360

Die Modellierung von Nichtmonotonie im Rahmen der Prädikatenlogik

Walther Kindt

Vorbemerkungen

Für situiertes Handeln und Kommunizieren ist charakteristisch, daß unter der Bedingung unvollständiger Information Annahmen über die Situation gemacht und Entscheidungen getroffen werden müssen. Hierzu bedienen sich Handelnde in ihrem Erfahrungswissen maßgeblich solcher Regularitäten, die zwar nur 'im Normalfall' gelten, aber eine sehr effiziente Inferenzbildung erlauben (vgl. Kindt, 1993b). Allerdings muß dann grundsätzlich immer damit gerechnet werden, daß Inferenzresultate zu revidieren sind, wenn sich neue Informationen über die Situation aus Kommunikation oder Wahrnehmung ergeben oder wenn in der Situation bestimmte nicht erwartete/vorhersehbare Zustandsänderungen eintreten. M.a.W. die auf der Basis von Normalfall-Regularitäten vollzogene Informationsableitung ist nichtmonotin im Sinne der in der Künstlichen Intelligenz verwendeten Redeweise (vgl. etwa Brewka 1993). Im vorliegenden Beitrag geht es um die Frage, wie das Phänomen der Nichtmonotonie am einfachsten und angemesssensten erfaßt werden kann. Hierzu wird im Anschluß an frührere Überlegungen (Kindt, 1988) eine neue Modellierungsperspektive entwickelt. Im Prinzip soll die gewünschte Modellierung zwei Forderungen erfüllen: Sie soll Eine Erfüllung der ersten Forderung setzt voraus, daß nichtmonotones Schließen in stärkerem Maße als bisher empirisch untersucht wird. Auf die Ergebnisses solcher Untersuchungen gehe ich hier nur andeutungsweise ein (vgl. Kindt, 1993b). Im Vordergrund der Diskussion steht demgegenüber die in der zweiten Forderung formulierte Idee. Mit ihr wird angestrebt, die bisherige Strategie einer Entwicklung von Sonderlogiken für nichtmonotone Schlüsse abzulösen. Tatsächlich stellt sich heraus, daß es solcher Logiken nicht bedarf, wenn man das Modellierungspotential der Klassischen Logik geeignet ausschöpft. Um dies nachzuweisen, müssen einersetis unterschiedliche logische Aspekte nichtmonotoner Schlüsse voneinander abgegrenzt und getrennt untersucht werden. Andererseits ist genauer zu klären, wie man im Rahmen der Klassischen Logik mit Normalfall-Regularitäten korrekt umgehen kann; zentraler Lösungsansatz hierfür ist die Einführung einer erweiterten theorieabhängigen Ableitbarkeitsbeziehung, die den provisorischen Charakter von Konklusionen nichtmonotoner Schlüsse in geeigneter Weise abbildet.
Anke Weinberger, 1994-05-03