Hörverstehen und Leseverstehen beim Wissenserwerb
in multimedialen Lern- und Informationssystemen

Wolfgang Schnotz

Fachbereich Psychologie
Universität Koblenz-Landau

Montag, 10.02.2003, 16 Uhr c.t., Hörsaal 5
Multimedia bietet vielfältige Möglichkeiten der Kombination von gesprochenen oder geschriebenen Texten mit statischen oder animierten Bildern und Diagrammen. In der Praxis der Gestaltung von multimedialen Lern- und Informationssystemen wird häufig in naiver Weise eine möglichst vollständige Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten angestrebt in der Annahme, dass sich dadurch ein höherer Lern- oder Kommunikationserfolg erzielen ließe. Oft wird dies auch damit begründet, dass jeder Lernende seinen spezifischen Zugang entsprechend seinen individuellen Präferenzen finden müsste und dementsprechend vielfältige Wahlmöglichkeiten vorhanden sein sollten. Den bisherigen Forschungsbefunden zufolge sind solche einfachen Designprinzipien allerdings nicht haltbar. Die Entwicklung multimedialer Lern- und Informationssysteme benötigt vielmehr hinreichend differenzierte theoretische Modelle über die beim Hören und Lesen von Texten ohne und mit Kombination mit Bildern ablaufenden kognitiven Prozesse.

Hör- und Leseverstehen beanspruchen nicht nur unterschiedliche sensorische Verarbeitungsmodalitäten, sondern räumen infolge der unterschiedlichen Flüchtigkeit bzw. Stabilität der Textinformation dem Individuum auch unterschiedliche Möglichkeiten der sensorischen und kognitiven Verarbeitungskontrolle ein. Ginge es bei Kombination von Text und Bild in multimedialen Lern- und Informationssystemen lediglich darum, Doppelbelastungen der visuellen Aufmerksamkeit durch Lesen und Bildbetrachtung zu vermeiden, so müsste unter diesen Bedingungen generell eine auditive Textpräsentation gewählt werden. Dem widerspricht allerdings einerseits, dass bei anspruchsvollen Inhalten das Lesen eines Texts eine bessere Anpassung der individuellen Verarbeitungsgeschwindigkeit an die aktuell verfügbare Verarbeitungskapazität ermöglicht. Andererseits bieten multimediale Systeme dem Individuum die Möglichkeit, auch beim Hörverstehen mehr Kontrollmöglichkeiten einzuräumen. Dementsprechend sind Verarbeitungskapazitäts- und Verarbeitungskontrollaspekte gemeinsam zu betrachten und abzuwägen.

Es soll ein Forschungsprogramm dargestellt und diskutiert werden, in dem Prozesse beim Hörverstehen beim Leseverstehen von Texten unter verschiedenen multimedialen Verarbeitungsbedingungen untersucht werden sollen. Im Fokus der Analyse steht das Zusammenspiel der Teilung von sensorischen Ressourcen und kognitiven Ressourcen bei unterschiedlichen Möglichkeiten der individuellen Verarbeitungskontrolle für Textsegmente mit unterschiedlicher Kommunikationsfunktion.


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